Frauen und Sport im Hellenismus

 

Mädchen im Bikini
Dieses etwas spätere Mosaik von 310-320 n. Chr. wurde in einer römischen Villa auf Sizilien gefunden. Die Mädchen trainieren in ihrer Unterwäsche, weil nacktes Sporttreiben für Mädchen als unschicklich erachtet wurde.
(Bild: Foto von Disdero modifiziert von AlMare ist unter CC BY-SA 2.5 lizensiert)

Nachdem Kyniska als erste Frau die Oympischen Wagenrennen gewonnen hatte, folgten bald auch andere Frauen ihrem Beispiel. Inschriften weisen bereits von Anfang des 4. Jahrhunderts v. Chr. an Siege von Frauen in Wagenrennen bei verschiedenen großen Spielen nach. Im Hellenismus (323-31 v. Chr.) konnten Frauen der Oberschicht leichter als zuvor zu Wohlstand kommen, weswegen es deutlich mehr von ihnen möglich war, an Wagenrennen teilzunehmen. Gerade die in Ägypten herrschenden Ptolemäer sind ein wichtiges Beispiel für diese Entwicklung. Dort sammelten auch die weiblichen Mitglieder der Königsfamilie systematisch Siege in Wagenrennen.

 

QUELLE: Poseidippos, Hippika 78

Poseidippos war ein Hofdichter der Ptolemäer, den hellenistischen Königen in Ägypten. In diesem Gedicht über den Sieg der Prinzessin Berenike erwähnt er auch die Siege ihrer Eltern und Großeltern in den olympischen Pferderennen. Das Gedicht hat einige Lücken, da es uns nur durch eine Abschrift auf einer leicht beschädigten Papyrusrolle überliefert ist. Die Abschrift wurde wahrscheinlich noch zur Lebzeit des Poseidippos erstellt und stammt so aus den 250er oder 240er Jahren v. Chr.


Besingt, alle Sänger, meinen Ruhme, wenn ihr gern Bekanntes verkündet, weil mein Ruhm von langer Zeit herrührt. Mit dem Wagen nämlich siegte mein Großvater Ptolemaios, mit seinen Pferden über die Rennbahn von Pisa fahrend. Ebenso siegte Berenike, die Mutter meines Vaters. Mit dem Wagen alsdann errang den Sieg mein Vater, der König, der von seinem Vater, der auch König war, den Namen erhielt. Alle drei Siege mit dem Gespann errang Arsinoe bei einem einzigen Wettbewerb. […] heiliges Geschlecht […] der Frauen […] jungfräulich […] Olympia wurde Zeuge [all dieser Großtaten] eines einzigen Hauses. Besinget nun denn, ihr Frauen von Makedonien, den Siegeskranz der Königin Berenike, für das Rennen mit dem Viergespann ausgewachsener Pferde.

(Übersetzung von Martin Hose)


Die Rennbahn in Pisa ist eine poetische Beschreibung des olympischen Hippodroms. Alle Mitglieder der Königsfamilie gewannen mit einem Viergespann. Königin Arsinoe gewann zu Beginn des 3. Jahrhundert v. Chr. sowohl das Viergespann-Rennen für ausgewachsene Pferde und das für Fohlen sowie das Zweigespann-Rennen für ausgewachsene Pferde. Zweigespann-Rennen mit Fohlen wurden erst 268 v. Chr. eingeführt.

 

 

Mit dem römischen Imperium verbreitete sich seit dem 1. Jahrhundert n. Chr. schließlich auch der Sport für Frauen im römischen Einflussbereich. Die Teilnehmerinnen waren aber keine Profisportler wie ihre männlichen Kollegen, sondern diese Spiele waren vielmehr eine Art Spiel oder Hobby der adligen Mädchen der Region. Auch war es für Frauen möglich, als Organisatoren von Spielen in Erscheinung zu treten.

 

Die Anzahl von Wettkämpfe für Frauen, noch immer hauptsächlich Laufwettbewerbe für unverheiratete Mädchen, nahm zu. Großen Einfluss scheinen dabei Kaiser Augustus und seine Nachfolger in der julisch-claudischen Dynastie gehabt zu haben. Sie richteten neue Spiele aus oder erweiterten bereits bestehende um Veranstaltungen für Frauen; diese sollten laut jüngster Forschung die weiblichen Mitglieder des Kaiserhauses ehren. Zum ersten Mal wurden solche Veranstaltungen auch Bestandteil großer Spiele, wie die Inschrift einer Statuenbasis aus Delphi aus dem Jahr 45 n. Chr. zeigt. Somit scheint der Frauensport im römischen Imperium bei den großen Spielen angekommen zu sein.

 

QUELLE: Inschrift IAG 63

Die Weihinschrift verzeichnet die Siege der drei Töchter des Hermesianax und liefert die frühesten bekannten Namen von Siegerinnen außerhalb von Wagenrennen:


Hermesianax, Sohn des Dionysios, Bürger von Kaisareia Tralles und Korinth, ehrt seine Töchter, welche die gleiche Bürgerschaft besitzen.
[1.] Typhosa siegte bei den Pythien unter den Agonotheten Antigonos und Kleomachiadas, bei den Isthmien unter dem Agonotheten Iuventius Proklos, im Stadionlauf, hintereinander als erstes Mädchen.
[2.] Hedea siegte bei den Isthmien unter dem Agonotheten Cornelius Pulcher im Waffenlauf und im Wagenrennen; sie siegte bei den Nemeen im Stadionlauf unter dem Agonotheten Antigonos, und in Sikyon unter dem Agonotheten Menoitas. Sie siegte auch im Kitharawettbewerb in der Kategorie der Kinder bei den Sebasteia in Athen unter dem Agonotheten Novios, Sohn des Phileinos. Sie wurde erste überhaupt [...] Bürgerin [...] Mädchen.
[3.] Dionysia siegte [...] unter dem Agonotheten Antigonos und bei den Asklepieia im heiligen Epidauros unter dem Agonotheten Nikoteles im Stadionlauf.

[geweiht dem] Apollon Phythios


Die Quelle zeigt, dass die drei Töchter Wettkämpfe in drei der größten und prestigeträchtigsten Spiele gewonnen hatten, nämlich in den Pythischen, den Isthmischen und den Nemeischen Spielen.

 

Auflösung der Abkürzung

 

 

Maximilian Stenger