Frauen und Sport in der Archaik und Klassik
Rennendes Mädchen Diese kleine Bronzestatue zeigt ein spartanisches Mädchen beim Rennen. Sie ist angezogen wie die Teilnehmerinnen der Heraia, einem Wettkampf unter Frauen zu Ehren der Göttin Hera: Ihre Tunika ist knielang und entblößt ihre rechte Brust. (Bild: Foto von © Trustees of the British Museum unter CC BY-NC-SA 4.0 lizensiert) |
Ein Ausschnitt aus einer Tragödie des Dichters Euripides zeigt, welche großen moralischen Vorbehalte in der Archaik (700 - 480 v. Chr.) und Klassik (480 - 323 v. Chr.) gegenüber sportlichen Betätigungen von Frauen vorherrschten. Die Ursache hierfür lag in der Rolle der Frau, die hauptsächlich auf Mutterschaft und das familiäre Zuhause beschränkt blieb.
Selbst wenn ein Spartanermädchen die Absicht hätte, könnte sie nicht sittsam sein, wo sie das Haus verlässt, im Kreise junger Männer [...] am Wettlauf, am Kampfe auf dem Ringplatz teilnimmt – was für mich ganz unerträglich ist.
Obwohl Sport einer der wichtigsten Aspekte der griechischen Zivilisation war, bot die griechische Gesellschaft Frauen daher nur wenige Möglichkeiten an sportlichen Wettkämpfen teilzuhaben. Nur an Rennen konnten sie selbst teilnehmen. Diese hatten allerdings eher rituellen Charakter und waren nur für unverheiratete Frauen zugänglich. Ein Beispiel für einen solchen Lauf ist die „Heraia“, die alle vier Jahre in einem Stadion in Olympia zu Ehren von Hera, der Göttin der Ehe, stattfand. Soweit wir wissen, waren diese die einzigen Spiele für Frauen in klassischer Zeit.
Pausanias ist unsere einzige Quelle für Informationen über die Heraia in Olympia:
Alle vier Jahre weben die sogenannten „sechzehn Frauen der Hera“ einen Schleier und veranstalten einen Festkampf, genannt die Heraia. Dieser Festkampf besteht aus einem Wettlauf der Mädchen, die aber nicht alle das gleiche Alter haben, sondern in drei Abteilungen laufen, in der ersten die jüngsten, in der zweiten die nächstälteren und in der dritten die ältesten. Sie laufen mit herabhängenden Haaren in einem Unterkleide, das bis kurz über die Knie geht und die rechte Schulter bis zur Brust frei lässt. Auch diesen ist für ihren Wettlauf das olympische Stadium vorbehalten, man macht es aber für ihren Gebrauch um ein Sechstel kürzer. Die Siegerinnen erhalten einen Olivenkranz und ein Stück von der Kuh, die der Hera geopfert wird, und dürfen ihr gemaltes Porträt der Hera darbringen.
(Übersetzung adaptiert von Hans Reichardt)
Nur in Sparta konnten sich Frauen auch außerhalb von Läufen sportlich betätigen. Dort soll der Gesetzgeber Lykurg ein System zur körperlichen Erziehung von Frauen eingeführt haben. Ziel dieser Regelung war angeblich infolge des kräftigen Körperbaues der Mutter auch kräftigere Kinder zu gebären. In der Zeit vor ihrer Hochzeit nahmen die Spartanerinnen daher an öffentlichen Übungen, Läufen, Ringen, Paraden und Tänzen teil, um ihre Körper zu trainieren. Auch in Rom befand man leichte Übungen, so wie Rennen oder Ballspiele, als gesundheitsfördernd für Frauen.
Frauen durften niemals an den Spielen der Männer teilnehmen. Man erlaubte ihnen nicht einmal, dabei zuzuschauen. Es gibt jedoch eine wichtige Ausnahme: Reiche Spartanerinnen und andere adelige Frauen demonstrierten durch ihre Teilnahme an Pferderennen, auch in Olympia, ihren Wohlstand. Dort traten sie allerdings lediglich als Besitzer der Pferde auf. Da nicht die Reiter, sondern die Besitzer zu Siegern erklärt wurden, konnten somit auch Frauen in dieser Disziplin gewinnen. Die bekannteste dieser Frauen war Kyniska, die Tochter des spartanischen Königs Archidamos, die u. a. 396 v. Chr. die Olympischen Spiele gewann.
Maximilian Stegner