Die Organisation des Athletenverbandes

 

Der Athletenverband war überall aktiv, wo es athletische Wettkämpfe gab,  d. h. in einem großen Teil der griechisch-römischen Welt. Eine komplexe Organisation hielt alle Teile dieses riesigen Vereins zusammen. Zentrale Entscheidungen wurden im Hauptsitz in Rom getroffen, wo der Vorstand aus drei Oberpriestern, zwei Archonten (Obermagistraten), einem Schatzmeister und einem oder mehreren Obersekretäre bestand. Weniger hochrangige Sekretäre waren für die Kommunikation mit anderen Abteilungen zuständig.


In anderen Städten des Reiches wurde der Verband von anderen Beamten vertreten. Am wichtigsten waren die sogenannten Xystarchen. Sie waren im Namen der Synode an der Organisation von athletischen Wettkämpfen im ganzen römischen Reich beteiligt. In den meisten Fällen war jeder Xystarch nur für ein Festival zuständig; vereinzelt kennen wir aber auch Xystarchen, die alle Wettkämpfe einer Region in ihrem Zuständigkeitsbereich hatten. 


Die genauen Funktionen dieser wichtigen Beamten sind nicht ganz klar. Sie arbeiteten auf jeden Fall eng mit dem Festivalorganisator der Stadt zusammen. Wahrscheinlich war deshalb auch die Einladung der Athleten zu den Wettkämpfe eine wichtige Aufgabe der Xystarchen: Sie waren hierfür gut geeignet, denn sie kannten die Sportwelt gut und verfügten über ein großes soziales Netzwerk. Ferner leisteten die Xystarchen manchmal einen freiwilligen finanziellen Beitrag zur Organisation der Wettkämpfe, wie die Inschrift für den Xystarch der Stadt Antiochia, Aurelius Menandros, zeigt. Während des Verlaufs eines Festivals waren Xystarchen vermutlich eine Art Ansprechpartner für die angereisten Athleten. Sie konnten Auskunft geben über die Spiele, über Unterkünfte in der Stadt, über die Zeitplanung usw. Auch in dem eigentlichen Wettkampf standen die antretenden Athleten unter der direkten Leitung des Xystarchs. Letztendlich nahmen die Xystarchen auch an Versammlungen des Verbandes teil und unterschrieben Akten und Beschlüsse, z. B. Unterlagen neuer Mitglieder. Scheinbar wurden Xystarchen für ihre Bemühungen vergütet, teilweise von den Athleten selbst und teilweise von der organisierenden Stadt.

 

QUELLE: Inschrift I.Aphr. 12.920

Ehrendekret für den Xystarch Aelius Aurelius Menandros:


Beschluss der heiligen herumwandernden xystischen Synode der heiligen Kranzsieger aus der ganzen Welt rund um Herakles, Hermes und die Imperatoren M. Aurelius Antoninus und L. Aurelius Verus, zusammengekommen in der Stadt Antiochia Caesarea Colonia für den Wettkampf …

T. Aelius M…, Ringer, Ausnahmeathlet, hat über den Antrag in der Versammlung abstimmen lassen.

Aelius Aurelius Menandros, Ausnahmeathlet und lebenslang Xystarch der Wettkämpfe in Colonia Antiochia, der ehrenvoll und umsichtig als Athlet gekämpft hat, hat eine derartige Ehre erreicht, dass er zuerst mit gutem Gelingen so viele Wettkämpfe gewonnen hat und seiner erlauchtesten Heimatstadt bei jedem Wettkampf mit Verkündigungen und Kränzen Ehrung erwiesen hat, besonders in der Zeit des göttlichen Antoninus Pius, so dass er nicht nur von dessen Händen gekränzt worden ist, sondern auch mit ausgezeichneten Ehrungen geehrt worden ist. Inzwischen, nachdem er Xystarch geworden war, hat er sich mit einer derartigen Vorsorge und Aufmerksamkeit, und mit voller Begeisterung, um unsere Belange gekümmert und sein Amt bei uns hervorragend ausgeübt. Aus diesen Gründen, den Mann jetzt wie auch oft zu andrer Zeit ehrend und für ihn zeugend, haben wir Beschlüsse zu den Herren Kaisern gesandt, in der Annahme, dass dies die besten und gleichwertigen Gegenleistungen für ihn sind, im Tausch für sein Wohlwollen gegenüber uns, und weil es ihm mit ausreichenden Ausgaben und starker Anstrengung gelungen ist dafür zu sorgen, den aktuellen Wettkampf bei dem Volk der Stadt Antiochien zu veranstalten, so dass wir vermuten, dass die Preise aus seiner eigenen Tasche bezahlt sind. Deswegen beschließen wir zum guten Gelingen um Menandros vor dem heiligsten Rat und dem erlauchtesten Volk von Aphrodisias betreffs des oben Beschriebenen zu danken, und ihn zu ehren durch das Aufrichten von Statuen und die Weihung von Abbildungen auf ausgezeichneten Plätzen in der Heimatstadt. Die Ehrungen sollen eingemeißelt werden bei der Veröffentlichung des Dekrets, damit die Ehrungen, die wir für ihn beschlossen haben, ewig bleiben.

Er ist auch Bürger der folgenden Städte: Pergamon, Antiochia Caesarea Colonia, auch Ratsmitglied von Theben, Apollonia in Lykien und Thrakien, Miletos, Pessinous und Claudiopolis. Zenon, Sohn des Apollonios und Enkel des Menandros, sein Bruder, war für die Ehrungen zuständig.


Dieses Dekret wurde während der Herrschaft der römischen Kaiser M. Aurelius und L. Verus (161-169 n. Chr.) vom internationalen Athletenverband in der Stadt Antiochien in Pisidien (Gebiet in der heutigen Türkei) verfasst. Der Verband war dort zusammengekommen, um an einem lokalen Wettkampf teilzunehmen. Der Geehrte ist Aelius Aurelius Menandros, der Xystarch oder Spielleiter aller Wettkämpfe in Antiochien. Das Dekret wurde in Menandros‘ Heimatsstadt Aphrodisias, etwa 300 km Richtung Westen, geschickt. Dort wurde es auf einer Steininschrift von Archäologen wiederentdeckt.

 

Auflösung der Abkürzung

 

Die Xystarchie war ein Prestigeamt, ausgeübt von erfolgreichen Athleten im Ruhestand. Die Inhaber waren sehr stolz auf diese Funktion, und deshalb taucht sie oft in Ehreninschriften auf. In manchen Inschriften lesen wir, dass die Xystarchie vom Kaiser selbst vergeben wurde. Es ist aber nicht sicher, ob dies in allen anderen Fällen auch gilt. Ebenso ist es unklar, ob alle Xystarchen ihr Amt auf Lebenszeit ausübten.

 

Bekannte Xystarchen:
M. Aurelius Demostratos Damas
M. Aurelius Asklepiades

 

 

Bram Fauconnier