Lucillius' Kritik am Sport
Boxer mit blutigen Nasen Realistische Vasenmalerei zweier Boxer mit wuchtigen Körpern und blutigen Nasen. (Bild: Foto von © Trustees of the British Museum unter CC BY-NC-SA 4.0 lizensiert) |
Lucillius war ein satirischer Dichter, der in der Zeit Kaiser Neros schrieb (Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr.). In seinen Gedichten spottete er über gesellschaftliche Ideale und beschrieb Szenen an der Grenze zwischen Realität und Unmöglichkeit. In einigen seiner Epigramme lässt er sich über die Ideale des griechischen Sports aus: die athletische Schönheit, den Ruhm und die Verbindungen zwischen Sportlern und Armee. Im Übrigen tat er dies auf Dorisch, jenem Dialekt, in dem der berühmte Dichter Pindar fünf Jahrhunderte zuvor die Athleten verherrlichte.
Lucillius betont die Lücke zwischen Ideal und Realität der Athletik, indem er einen typischen Verlierer mit Phrasen beschreibt, die man eigentlich auf einen Sieger anwenden würde.
In jedem Boxkampf, den die Griechen organisieren,
habe ich, Androleos, gekämpft.
In Pisa habe ich ein Ohr, in Plataia ein Augenlied zurückgelassen.
Aus Delphi trug man mich bewusstlos.
Mein Vater Damoteles und meine Mitbürger wurden zusammengerufen vom Herold,
um mich aus dem Stadion zu tragen, tot oder verstümmelt.
In diesem Epigramm über den Athleten Androleos parodiert Lucillius die Formeln der Ehreninschriften. Die häufige Formulierung „bei allen Wettkämpfen, an denen ich teilgenommen habe, habe ich den Sieg errungen“ wird hier zu „ich nahm an allen Wettkämpfen teil“. Der Leser erwartet nun – wie in einer Inschrift – eine Liste der Siege bei den großen Spielen, z. B. einen in Olympia, zwei bei den Isthmien usw. Doch anstelle von Siegen lässt der Boxer Androleos bei jedem Wettkampf ein Körperteil zurück. Das Ideal „Sieg oder Tod“ wird ebenfalls ins Lächerliche gezogen: Im Gegensatz zu Athleten wie Arrichion, denen Ruhm durch ihren Tod zuteil wurde, wird Androleos halbtot aus dem Stadion in Delphi getragen, ohne Ruhm. Die Proklamation des Sportlers, durch die sein Vater und seine Stadt seinen sportlichen Ruhm teilten, war normalerweise ein Augenblick größter Freude. Hier aber wird sie zu einem schmerzhaften Moment unerträglicher Schande.
Dieses satirische Epigramm des Lucillius ist eine fiktive Inschrift auf der Statue eines Boxers, der dermaßen übel zugerichtet worden ist, dass er nicht länger erkennbar ist.
Olympikos hier, der nun so schrecklich aussieht, Kaiser, hatte einst eine Nase, ein Kinn, Augenbrauen, Ohren und Augen. Dann nahm er an einem Boxkampf teil und verlor sie alle, so dass er nicht einmal seinen Anteil am Erbe seines Vaters erhielt. Sein Bruder hatte ein Bild von ihm und zeigte es dem Richter, der entschied, dass es sich um einen anderen Mann handle, der diesem hier überhaupt nicht ähnlich sähe.
Im folgenden Epigramm lacht Lucillius über das schäbige Aussehen der Boxer.
Dir, dem Herrscher von Pisa, hat der Boxer Aulos seinen Schädel geweiht, nachdem er die Knochen Stück für Stück zusammengepuzzelt hat. Sollte er auch die Nemeischen Spiele überleben, oh Herr Zeus, wird er dir bald auch noch die Rückenwirbel weihen, die ihm noch übriggeblieben sind.
Dieser Text ist eine Parodie auf die Weihinschriften, die Athleten in Heiligtümer sowohl um einen Gott zu ehren als auch um ihre sportliche Erfolge bekannt zu machen, errichten ließen. Diese Weihung eines Boxers an Zeus zählt jedoch keine Erfolge auf.