Der Athletenverband

 

Die sogenannte „xystische Synode“ war der internationale Athletenverband des römischen Reiches. Ein „xystos“ war eine überdachte Rennbahn, der Ort also, wo sich Athleten üblicherweise begegneten, und „Synode“ ist das griechische Wort für Verein. Im Gegensatz zu normalen antiken Vereinen, die nur Mitglieder einer Stadt aufnahmen, hatte der Athletenverband Mitglieder aus dem gesamten Mittelmeerraum. Er existierte seit Anfang des 1. Jahrhunderts  n. Chr. bis zum Ende des 4. Jahrhunderts n. Chr.

 

Auf dieser Karte sind alle Stätten markiert, an denen Inschriften gefunden wurden, die uns Auskunft über die Athleten- und Bühnenkünstlerverbände geben. Durch Anklicken der roten Fähnchen werden alle Informationen sichtbar.

 

Der erste Athletenverband mit internationalen Ansprüchen ist in einem Brief des römischen Politikern M. Antonius aus den Jahren 40-30 v. Chr. belegt. Es ist aber unklar, inwiefern dieser Verein mit der späteren xystischen Synode verbunden ist, die zum ersten Mal während der Regierung des Kaisers Claudius (41-54 n. Chr.) in unseren Quellen auftaucht. Die Synode war damals schon in einem großen Teil des Mittelmeerraums tätig: Einige ihrer hohen Beamten kamen zum Beispiel aus Syrien, außerdem half sie bei der Organisation von Festspielen in Kappadokien (im Osten der heutigen Türkei) und sendete Botschafter zum kaiserlichen Hof in Rom.

 

QUELLE: Papyrus SB 1 4224

In den vierziger oder dreißiger Jahren des 1. Jahrhunderts v. Chr. hielt der römische Politiker und Feldherr M. Antonius in Ephesus Audienz für Abgeordnete des „Verbandes der heiligen Kranzsieger aus der ganzen Welt“, unter ihnen sein Freund, der Trainer M. Antonius Artemidorus. Dieser Verband ist die erste Erscheinungsform des späteren internationalen Athletenverbandes des römischen Reiches. Auf ihr Bitten hin gewährte Antonius dem Verein wichtige Privilegien, wie asylia (Unverletzlichkeit), asphaleia (Sicherheit), Steuerfreiheit, Freiheit von der Pflicht, Soldaten einzuquartieren und Befreiung vom Heeresdienst. All diese Privilegien waren besonders wichtig für erfolgreiche Athleten, die immer mehr durch den Mittelmeerraum reisten. Außerdem bekamen die Mitglieder des Vereins die Zulassung, Kleidung mit Purpur geschmückt bei ihrem eigenen Wettkampf zu tragen. Ihnen wurde schließlich auch das Recht gegeben, ihre neu erworbenen Privilegien öffentlich zur Schau zu stellen.
Antonius schrieb seine Entscheidungen in einem Brief nieder, den er zum provinzialen Landtag der griechischen Städte in Asien schickte. Dieses Gremium konnte die Entscheidungen in allen betreffenden Städten erzwingen.

Der Brief des M. Antonius ist auf einem Papyrus aus dem späten 1. Jahrhundert n. Chr. erhalten:


M. Antonius, Imperator, Triumvir für die Wiederherstellung des Staates, grüßt den Bund der Griechen in Asien. Als sich M. Antonius Artemidorus, mein Freund und Trainer, früher mit mir in Ephesus getroffen hat, zusammen mit Charopinus von Ephesus, dem eponymen Priester* der Synode der heiligen Kranzsieger aus der ganzen Welt, damit die früher gewährten Privilegien der Synode nicht aufgehoben würden, und damit der Rest der Ehrungen und Privilegien, um die er gebeten hat, nämlich Freiheit von Heeresdienst, Freiheit von allen öffentlichen Diensten, Freiheit von der Pflicht, Soldaten einzuquartieren und während des Festivals Waffenstillstand und Unverletzlichkeit und das Recht, Purpur zu tragen, bewilligt würde, habe ich sofort zustimmend an euch geschrieben, mit dem Wunsch, gefällig zu sein, wegen meines Freundes Artemidorus und zugunsten der eponymen Priester, zur Ehre der Synode und zu ihrem Gedeihen.
Und jetzt, als sich Artemidorus erneut mit mir getroffen hat und um die Erlaubnis gebeten hat, eine Bronzetafel aufzurichten und die obengenannten Privilegien darauf aufzuschreiben, habe ich, mit dem Wunsch, Artemidorus nichts zu verweigern in Bezug auf [...] meine Zustimmung zur Aufrichtung der Tafel gegeben, so wie er es gebeten hatte. Ich habe euch über diese Sachen geschrieben.

(Übersetzung stützt sich teilweise auf die Korrekturen Eberts)


*Ein eponymer Priester ist ein Priester, der ein Jahr lang in Funktion ist. In diesem Jahr dient sein Namen dann als eine Art Jahresangabe.

 

Auflösung der Abkürzung

 

 

Das reichste Quellenmaterial aber stammt aus dem 2. Jahrhundert n. Chr. Zahlreiche Inschriften, besonders aus Kleinasien (der heutigen Türkei), zeigen die Tätigkeiten des Vereins bei den Wettkämpfen und dem Kaiserkult. In der Mitte des Jahrhunderts wurde ihr, durch die Vermittlung des Verbandsbeamten M. Ulpius Domesticus, von den Kaisern Hadrian und Antoninus Pius ein Hauptsitz im Rom geschenkt, was den Zugang zum Kaiser und damit die Lobbyarbeit erleichterte. Durch das 3. Jahrhundert hindurch operierte der Verband mit kaiserlicher Unterstützung weiter. Unsere Kenntnis über diese Periode ist sehr beschränkt, weil zu der Zeit weniger Inschriften verfasst wurden. Einige Inschriften aus dem 4. Jahrhundert zeugen aber davon, dass der Hauptsitz in Rom immer noch existierte. In Zusammenhang mit dem Verschwinden der griechischen Wettkämpfe wurde die Synode um 400 herum aufgelöst.

 

Bram Fauconnier