Römische Kritik an den Tierhetzen
Speerkämpfer mit Panther Das Bild zeigt ein Detail aus dem Mosaik von Nennig (Saarland). In der Szene hat ein Speerkämpfer einen Panther verwundet, der versucht, den Speer aus seiner Wunde zu ziehen. Der Speerkämpfer steht neben ihm und schaut in die Ferne. (Bild: Javelin thrower with panther, the gladiator mosaic at the Roman villa in Nennig, Germany von Carole Raddato unter CC BY-SA 2.0 lizensiert) |
Heute wird häufig darüber diskutiert, ob es ethisch vertretbar sei, Tiere in Circussen auftreten zu lassen. Im Vergleich zu den antiken Spektakeln sind die modernen Circusse aber noch sehr tierfreundlich: Bei den Tierhetzen („venationes“ auf Latein) in römischen Amphitheatern wurden Tieren nämlich gejagt und getötet. Diese blutigen Spiele waren sehr beliebt beim Publikum, beim Volk genauso wie bei den Mitgliedern der gebildeten Eliten. So verfasste der Dichter Martial ein ganzes Buch mit Epigrammen, in denen er die Pracht und die Faszination der venationes preist.
Auch in der Antike wurde allerdings diskutiert, ob diese Spiele akzeptabel seien. Tatsächlich haben einige der großen Autoren der Zeit zu diesem Thema Kritik geäußert, aber sie hatte wenig mit Tierschonung zu tun: Cicero und Seneca zum Beispiel sprachen sich aus Sorgen um die Zuschauer gegen die Tierhetzen aus. Sie verglichen die Tierhetzen mit Gladiatorenkämpfen, in denen die Gladiatoren Mut und Kampfkunst bewiesen und so dem Publikum demonstrierten, was römische Werte ausmachten. In Tierhetzen hingegen werde keine kämpferische Moral zur Schau gestellt, sondern, so sahen es die gebildeten Zeitgenossen, Tiere ohne Grund getötet oder sogar Menschen schutzlos wilden Tieren ausgeliefert. Deshalb befürchteten sie, dass der Anblick der Tierhetzen die Zuschauer verrohen würden.
In einem Brief beschreibt Cicero 55 v. Chr. seinem Freund Marius die beeindruckenden Spiele, die vor kurzem in Rom abgehalten wurden. Er erklärt Marius, warum es eigentlich gut war, dass dieser wegen einer Krankheit nicht persönlich zuschauen konnte.
Bleiben noch die Tierhetzen, fünf Tage lang je zwei; großartig, zugegeben! Aber wie kann ein kultivierter Mann Vergnügen daran finden, wenn ein schwacher Mensch von einer gewaltigen Bestie zerrissen oder ein herrliches Tier vom Jagdspieß durchbohrt wird? Wenn das sehenswert ist, dann hast Du es doch oft genug gesehen; auch wir, die wir dies alles mit ansehen müssen, haben nichts Neues zu sehen bekommen.
Einer der wenigen Autoren, dem es tatsächlich um das Wohl der Tiere ging, war Plutarch (z. B. in seiner Abhandlung über die Intelligenz der Tiere, „De sollertia animalium“). Er verglich die Veranstaltung von Tierhetzen mit Spielchen von kleinen Jungen, die zum Spaß Steine auf Frösche werfen, um sie zu quälen und zu töten. Plutarch forderte, das Leiden der Tiere zu berücksichtigen und sie zu verschonen. Damit sprach er sich gegen die vorherrschende Ansicht aus, dass man Tieren, da sie keine Vernunft hätten, auch keine Rechte gewähren müsse.
Diese Art der Kritik wurde also unter Mitgliedern der senatorischen Oberschicht laut. Sehr wahrscheinlich machten sich die einfachen Stadtbürger Roms jedoch keine derartigen Gedanken, sondern genossen das Spektakel, das ihnen geboten wurde. Dass sie es unterhaltsam fanden, wenn Tiere in der Arena gehetzt und schließlich getötet wurden, hinderte sie jedoch nicht daran, Haustiere zu halten und zu ihnen ein inniges Verhältnis aufzubauen. Für die Römer waren Haustiere Haustiere, Nutztiere Nutztiere, und wilde Tiere waren eben Bestien, gegen die man sich zu Wehr setzen und die man töten musste – um so besser, wenn man sich dabei auch noch amüsieren konnte!
Konstanze Schiemann