Die Tierhetzen als Symbol für die Macht Roms

 

Die Tierhetzen scheinen beim damaligen Publikum sehr beliebt gewesen zu sein. Sie dienten der Unterhaltung und waren doch gleichzeitig mehr als nur das. Die Tiere stellten Symbole dar, die etwas über das Römische Reich und sein Selbstverständnis erzählen konnten, aber auch über den Kaiser oder Feldherrn, der die Spiele veranstaltete. Wenn es möglich war, mit viel Aufwand exotische Tiere aus weit entfernten Regionen zu fangen und nach Rom zu bringen, dann war das ein Ausdruck der Macht, der Leistungskraft und der Größe des Einflussbereiches des Herrschers. Wer Tiger aus Indien oder Panther aus Kilikien (Süd-Türkei) nach Rom schaffte, der bewies schier unendliche finanzielle Mittel und beste Kontakte bis in die äußersten Gebiete des Reiches. Wenn dann die Kämpfer („venatores“ oder „bestiarii“) in der Arena gegen diese wilden Tiere antraten, wiederholten sie dort symbolisch die Unterwerfung der Herkunftsländer der Tiere durch die Römer. So stieg zum Beispiel der Import nordafrikanischer Tiere stark an, nachdem Ägypten zu einer römischen Provinz gemacht worden war. Den römischen Stadtbürgern wurde so der jüngste Erfolg ihres Reiches durch die Tiere in der Arena vor Augen geführt.

 

QUELLE: Martial, Liber de spectaculis XVII

Der Dichter Martial widmete eine ganze Sammlung von Epigrammen (kurzen Gedichten) den Spektakeln in der Arena zu Ehren des Kaiser Titus (79-81 n. Chr.). Viele dieser Epigramme handeln von den Tierhetzen und Martial unterstreicht in ihnen die Größe und Göttlichkeit des Kaisers.


Dass fromm und demütig ein Elephant Dir, Caesar, huldigt,
der eben noch hier für den Stier so furchterregend war,
das tat er nicht auf Geheiß, und kein Abrichter hatte es ihm beigebracht.
Glaube mir, auch er spürte unseren Gott.


Selbst eine Elephant, so die Aussage, erkennt die Macht des römischen Kaisers an und beugt sich vor ihr.

 

Eine besondere Rolle spielte der Veranstaltungsort der Tierhetzen: die Hauptstadt des Reiches. Rom war eine befriedete Stadt, und Waffen durften dort nicht getragen werden. Nur in der Arena wurde diese Regel gebrochen. Das Chaos und die Gewalt der Außenwelt, symbolisch durch die wilden Tiere repräsentiert, wurden nach Rom hineingetragen. In der Arena konnte dann dieses Chaos symbolisch durch die bestiarii besiegt werden und – zur Freude der Zuschauer – die Ordnung, die das Römische Reich sicherte, wieder hergestellt werden.

 

Konstanze Schiemann