Die Gladiatoren im Osten

 

Gladiatorenkämpfe waren im ganzen Römischen Reich beliebt, auch in der östlichen, griechisch geprägten Reichshälfte (d. h. in Griechenland, in der Türkei, im Nahen Osten und im Ägypten). Die ersten Gladiatorenkämpfe in diesem Raum wurden von romfreundlichen Königen organisiert, zum Beispiel vom jüdischen König Herodes dem Großen (1. Jahrhundert v. Chr.). Seit der Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr. übernahmen nach und nach fast alle Städte die aus Rom importierten Spektakel, so dass Gladiatoren in der Kaiserzeit überall regelmäßig zu sehen waren. Wie andernorts auch fanden diese Gladiatorenkämpfe zumeist in Verbindung mit Tierkämpfen statt. Erst im späten 3. Jahrhundert n. Chr. kam es im Osten wie im Westen zu einem Niedergang und schließlich zum Ende der Gladiatorenkämpfe.

 

Im Westen fanden Gladiatoren- und Tierkämpfe meistens in Amphitheatern statt. Doch im Osten verzichteten die meisten Städte auf den Bau von Amphitheatern und bauten stattdessen Theater, manchmal auch Stadien, für die römischen Spektakel um: Mittels Pfosten und Netzen, die an einer niedrigen Mauer befestigt waren, trennte man den Kampfplatz vom Zuschauerraum. Die Pfostenlöcher dieser Schutzkonstruktionen sind noch heute vielerorts zu sehen, zum Beispiel im Dionysostheater in Athen.

 

Bezahlt und organisiert wurden die Gladiatorenkämpfe von den Kaiserpriestern, deren Amtszeit zumeist ein Jahr dauerte. In diesem Jahr sollten sie einmal Gladiatorenkämpfe ausrichten, und dieser Verpflichtung kamen sie gerne nach. Denn die Kaiserpriester gehörten den führenden Familien an, die miteinander um Einfluss und Prestige konkurrierten. Prächtige Spiele waren eine gute Möglichkeit, Popularität bei der städtischen Bevölkerung zu gewinnen, und aus diesem Grund gaben die Kaiserpriester enorme Summen für gute Gladiatoren und wilde Tiere aus.

 

QUELLE: Inscriptiones Creticae IV 375

Grabstein eines Gladiators in Gortyn (Kreta)


… Ich siegte in Ephesos im Kampf gegen Parthenopaios.
Ich siegte glänzend in Tralleis im Kampf gegen Narkissos.
Ich war Trainer in Ephesos.
Ich siegte in Laodikeia im Kampf gegen Paktolos.
Ich siegte in Aphrodisias im Kampf gegen Trypheros.
Ich siegte in Ephesos im Kampf gegen Iaculator.
Ich siegte in Gortyn im Kampf gegen Helios.
Ich kämpfte unentschieden in Gortyn gegen Kekrops.
Ich siegte glänzend in Gortyn im Kampf gegen Narkissos.

Ich siegte glänzend in Gortyn im Kampf gegen T(…).

 

In dieser Grabinschrift wird die Karriere eines unbekannten Gladiators nachgezeichnet. Deutlich wird die räumliche Mobilität von Kleinasien bis Kreta und die Unterscheidung zwischen ‚einfachen‘ Siegen, besonders glänzenden Siegen und Unentschieden.

 

Eine Besonderheit der Gladiatorenkämpfe im griechischen Osten ist die Anlehnung an den olympischen Sport, wie die neuere Forschung zeigt: In den Inschriften werden die Gladiatoren häufig als „Boxkämpfer“ bezeichnet und der Kampfplatz wird Stadion genannt, auch wenn die Kämpfe in Theatern oder Amphitheatern stattfanden. Auf Grabreliefs werden die Siege als Kränze symbolisiert, wie man es auch auf Siegesinschriften für erfolgreiche griechische Athleten sieht. Die Griechen übernahmen also bereitwillig die römische Form öffentlicher Unterhaltung, überformten sie aber mit griechischen Traditionen.

 

Christian Mann